GEORG-BÜCHNER-GYMNASIUM KAARST  ■   THEATER AG    ■    "Goethes FAUST"                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                zurück

               

Vor-Aufführung von Faust in der Galerie Splettstößer 

Liebe Gäste, ich möchte zu Beginn ein paar Sätze zu unserer Truppe und zu ihren Zielen sagen. 

Die Gruppe ist entstanden aus der THEATER-AG des Büchner-Gymnasiums, sie ist aber mittlerweile eine bunt gemischte Truppe aus Leuten verschiedenen Alters von 79 bis 12 Jahren, durchaus auch verschiedener Herkunft und Bildung. Alle verbindet uns die Freude am Theaterspiel und der Drang, kreativ zu arbeiten . Aber auch der Wunsch, unser Erleben rüberzubringen zu anderen Zeitgenossen. 

Für uns ist ein Theatertext nicht ein Stück zu rekonstruierender Vergangenheit, sondern ein Anlass, uns dieses Stück  aus unserem Erleben heraus zu eigen zu machen und aus unserem  Denken und Empfinden heraus neu zu erfinden. 

Sicher haben wir nicht die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Profis, aber die Begeisterungsfähigkeit und Literaturverliebtheit der echten Amateure. 

Zurzeit beschäftigen wir uns mit dem Goetheschen Faust. 

Goethe hat die Figur des „Faust“ nicht erfunden.

Ich denke weniger daran, dass es einen historischen Faust gibt, eine schillernde Figur, die in  den überlieferten Quellen manchmal als betrügerischer Quacksalber, manchmal als ernst zu nehmender Wissenschaftler, immer aber als skrupelloser Charakter  dargestellt wird, der auf gewaltsame Weise ums Leben kommt. 

Wichtiger sind die literarischen Wurzeln des Goetheschen Faust. Und die reichen weit zurück.

Da gibt es schon die Figur des wissenschaftlich Forschenden, der sich um der tieferen Erkenntnis willen dem Teufel verschreibt und dabei seine unsterbliche Seele verspielt oder aber durch Gottes Gnade gerettet wird. Als Beispiel sei Papst  Silvester II (950 – 1003) genannt. In verschiedenen Varianten ist die Geschichte  durch die Jahrhunderte hindurch überliefert bis in die mittelalterlichen Mysterienspiele und die barocken Dramen hinein. 

In der 2.Hälfte des 16.Jh.s  wird nun -  und jetzt kommt die historische Figur des Faust wieder ins Spiel - die altbekannte  Literatur-Figur des Teufelspaktlers im sogenannten „Volksbuch“ verknüpft mit der Vita des historischen Faust. Das gewaltsame Ende der historischen Figur wird umgedeutet in die Behauptung, der Teufel habe sie geholt. Und das Geschehen wird dargestellt als abstoßendes Beispiel für alle, die am orthodoxen Glauben zweifeln. 

Das Volksbuch war keine hohe Dichtkunst, es hatte das Niveau eines Drei-Groschen-Romans.

In England kam der Stoff dann in die anspruchsvolle Literatur: ein Zeitgenosse  Shakespeares, Christopher Marlowe machte daraus ein Drama, das in gewisser Weise noch in der Tradition der Mysterienspiele stand, aber doch entscheidend davon abwich: Faust wird zwar auch hier vom Teufel geholt, aber auf der anderen Seite wird er als der Rebell charakterisiert, der Wagemutige, der die Schranken der Tradition  überwindet, also ein Renaissance-Mensch. Und er hat eindeutig die Bewunderung des Autors  und wird zum Helden im Sinne der antiken Tragödie umstilisiert wird. 

An diese neue Deutung der Figur knüpft Goethe an, wenn er Faust darstellt als den Sucher, der die dem Menschen gesetzten Grenzen mutig und zugleich skrupellos überwindet, indem er  einen Pakt mit dem Teufel eingeht. 

Marlowes Drama war nicht die einzige Quelle Goethes. Er kannte auch das Puppenspiel und das Volksbuch, das immer wieder neu aufgelegt wurde, aber immer noch mit der gleichen Tendenz der Abschreckung.  

Neu in der Stoffgeschichte ist bei Goethe  nun die Verknüpfung der Gelehrten-Tragödie mit der Gretchen-Tragödie. Letztere hat ihren Ursprung in der Biographie des Dichters: Goethe hat in seiner Frankfurter Zeit miterlebt, wie eine Kindsmörderin öffentlich hingerichtet wurde. Dies Erlebnis hat ihn tief getroffen und seine Dichtung, speziell das Faustdrama, stark beeinflusst. 

Für uns, die wir ja in der Regel nur den ersten Teil des Goetheschen Dramas kennen, ist die Gestalt Gretchens ein wichtiges Element der Faustgeschichte geworden und bestimmt unsere Interpretation und Wertung Fausts entscheidend mit. Faust kann für uns nicht mehr wie in der Nazi-Zeit als Inbegriff deutschen Wesens gedeutet werden, oder zum literarisch überhöhten Urbild des fortschrittlich denkenden Arbeiters werden wie in der Interpretation der DDR-Ideologen. 

Wir sehen eher skeptisch auf seinen ungebremsten Forschungsdrang  und vor allem auf seine skrupellose Art im Umgang mit seinen Mitmenschen. Und so kann man fast sagen, dass uns Faust wie zu Zeiten des Volksbuchs eher als zwar faszinierendes, trotzdem aber als gefährliches Drohbild und abschreckendes Beispiel dient, nur unter ganz anderen Aspekten wie in der Reformationszeit.  

Liebe Gäste, wir geben Ihnen heute einen Einblick in unsere Probenarbeit. Ein Sie sehen deswegen heute auch nur Ausschnitte aus dem Drama, vornehmlich aus der ersten Hälfte des Stücks. Der Zettel auf Ihrem Stuhl gibt Ihnen aber neben den Kommentaren des Regisseurs einen Überblick über den Handlungsverlauf. 

Seien  Sie gnädig mit uns und übersehen Sie die zweifellos noch existierenden Schwächen. Spenden Sie Beifall, denn der ist der einzige Lohn für die Mühen, den der Amateur bekommt.        

 
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© Wilhelm Schiefer (2002)