Unterstützen Sie die Umsetzung des Kunstwerks "Brücken über den Norkanal" über den Verein Kunst am Bodendenkmal Nordkanal e.V.

Kunstweg Nordkanal - Brücken über den Nordkanal
(aus: EUROGA 2002plus - Der Kreis Neuss zeigt sich von seiner schönsten Seite)


Die Trasse des historischen Nordkanals, gerade im Bereich des Naherholungsgebietes Kaarster See, ist ein bevorzugter Standort, um zum zentralen Thema der EUROGA 2002plus eine Verbindung zwischen Natur, Kultur und Technik glaubwürdig herzustellen. Die Großplastik "Brücken über den Nordkanal" von Wilhelm Schiefer besteht aus fünf hausähnlichen Gebilden, die jeweils auf 11 m

hohen Stelzen ruhen. Die Form der Häuser erinnert an Hochsitze, Wachtürme oder andere seit alters in die Natur eingepasste Bauten. Die Einzelobjekte gruppieren sich beidseitig des Nordkanals um eine am Standort vorhandene Fußgängerbrücke. Die fünf Wohntürme sind durch Stiegen und Leitern vielfältig untereinander verknüpft. Alle diese Verbindungen sind direkt und zielstrebig oder aber indirekt und umwegig oder verlaufen ins Ausweglose


Brücken über den Nordkanal - ein Kommunikationsmodell
(von Dr. Hannelore Kersting, stellv. Leiterin des Museums Abteiberg, Mönchengladbach)

Ein etwas surreal anmutendes Ensemble aus fünf architektonischen Holzobjekten erhebt sich, von Stelzen getragen, in die Höhe: insgesamt immerhin über 14 m hoch. Weithin sichtbar überragt es die Bäume, die den Nordkanal säumen.
Dieses komplexe Projekt eröffnet vielfältige inhaltliche Ebenen, indem es den bedeutungsvollen Standort am Nordkanal mit künstlerischen Mitteln interpretiert. Der Nordkanal - 1808-1810 von Napoleon in der Absicht erbaut, Rhein und Maas miteinander zu verbinden - ist zum einen ein überregionales und historisches Bodendenkmal. Zum anderen ist er aber auch eng mit der lokalen Geschichte verwurzelt. Als eine Art natürliche Trennlinie war er geradezu prädestiniert, Grenzverläufe sichtbar zu machen - in früheren Zeiten zwischen Liedberg und Hülchrath, später die Grenze zwischen Kaarst und Büttgen. Letztere ist auch Jahre nach der Zusammenlegung der beiden Gemeinden noch immer gegenwärtig in den Köpfen, wobei der Kanal vielleicht dazu beiträgt, die Erinnerung wach zu halten, während die Brücken zu einer zumindest symbolischen Vermittlung verhelfen.
Der Standort des Kommunikationsmodells ist ein Knotenpunkt, an dem eine Reihe von Strängen zusammentreffen. Durch den indirekten Bezug zu Gegenwart und Vergangenheit beinhaltet das Modell nicht nur eine zeitliche Komponente.

Es reagiert auch auf die sehr konkreten Gegebenheiten einer ausgeprägten räumlichen Achse, denn etliche Verkehrswege laufen hier zusammen: Schienenstränge, Wasserstraße, Fußgängerweg und Autostraße. Das Projekt ist in vielerlei Hinsicht ein Haltepunkt in dem hektischen Durchgangsverkehr, der sich wiederum am Verlauf des Nordkanals orientiert, zu dem er parallel geführt wird. Einen deutlichen Akzent dagegen setzt eine Fußgängerbrücke über den Kanal, die einen wichtigen Zugang bildet zum neu eingerichteten Haltepunkt der Regiobahn. Diese Brücke schafft eine Querverbindung und überwindet die durch den Kanal geschaffene Distanz zumindest punktuell.
Wilhelm Schiefer bestätigt und vergegenwärtigt die vermittelnde Funktion der Brücke, indem er sie zentral in sein Projekt einbezieht. Links und rechts um sie herum gruppieren sich die fünf Häuser auf beiden Ufern des Nordkanals. Diese turmhohen Elemente aus weitgehend naturbelassenem Holz sind untereinander verbunden durch ein aufwändiges System aus filigran strukturierten Leitern und Brücken, von denen nur eine wirklich begehbar ist - und zwar jene bereits existierende Fußgängerbrücke. Die fünf schlichten Raumkörper wecken mit ihren abstrahierten Schrägdächern, Türen und Fensteröffnungen vielfältige und vergleichsweise allgemeine Assoziationen von Holzhütten, Hochständen und Wachtürmen. Speziell auf den Standort bezogen stehen die fünf Haus-Objekte zudem symbolisch für die fünf Stadtteile von Kaarst (Kaarst, Büttgen, Holzbüttgen, Driesch, Vorst) und ihr gelegentlich im zwischenmenschlichen Bereich etwas gestörtes Verhältnis zueinander. Die Schwierigkeit der Verständigung untereinander und das Absurde dieser Situation werden besonders anschaulich durch den kühnen Vorstoß in die Höhendimension des Luftraums. Wilhelm Schiefer setzt seine künstlerischen Objekte deutlich ab von dem erdverbundenen, horizontalen Verlauf der funktionellen Verkehrs- und Transportwege, die zu Lande und zu Wasser zielstrebig von einem Punkt zum nächsten führen.

Optisch überhöht und "beschleunigt" wird die vertikale Ausrichtung des Kommunikationsmodells nicht zuletzt durch die flüchtende Perspektive der vier Stützen eines jeden "Hauses", die auffallend schräg verlaufen. Sie scheinen die Schwerkraft aufzuheben und verleihen dem Ensemble eine gewisse Leichtigkeit. Diese wird noch augenfälliger durch das Gespinst von Windverbänden, die in Form von grazil wirkenden Drahtseilen den oberen Teil der Türme vernetzen. Statisch bedingt, um die enormen Windkräfte in der Höhe von 14 m aufzufangen, bekommen sie optisch eine Bedeutung von geheimnisvollen Verknüpfungen und Leitungen, so wie bei gotischen Kirchen Strebesysteme über ihre statische Bedeutung hinaus eine inhaltliche Aussage machen. Zugleich lässt die luftige Höhe die Objekte noch absurder und im wahrsten Sinne des Wortes entrückter erscheinen, als sie ohnehin schon sind, denn sie bleiben gänzlich unerreichbar. Sie lösen sich von der Basis, um zueinander auf Distanz zu gehen und um jeder für sich nach oben zu streben. Mit dem Kontakt zum Boden verlieren sie auch ihre natürliche gemeinsame Bezugsebene und geraten in Isolation. Dies zieht einen großen Aufwand nach sich: Während die Stelzen dazu dienen, einen künstlichen Abstand zu schaffen, ist ein grotesk umständliches System aus Leitern und Stegen notwendig, um gerade diese Distanz mühsam wieder zu überwinden.

Es sind ebenso imposante wie hilflose Maßnahmen, die letztlich die selbst verursachten Hindernisse und Gräben noch unüberwindbarer erscheinen lassen, denn bei aller Anstrengung bleiben sie wirkungslos. Die untersten Sprossen der Leitern sind viel zu hoch, um sie erklimmen zu können, andere sind zu kurz, um an ihr Ziel zu gelangen, und auch eine Brücke, die wie ein Drahtseil zwischen zwei Häusern gespannt ist, bleibt außer Reichweite. Die angebotenen Wege entlarven sich bei näherem Hinsehen als Täuschungen und Irrwege.
Aber nicht nur für Sisyphus ist der Weg das Ziel, und so ist bereits das Bemühen um Vermittlung sinnvoll. Dies betrifft insbesondere den Betrachter des Werkes, denn schließlich ist er es, dem das Benutzen der nicht funktionierenden Leitern versagt bleibt. Er sieht sich mit der ausgeprägten Höhendimension konfrontiert, und selbst wenn Wachturm und Hochstand traditionell Bauwerke sind, die vergleichsweise harmonisch in die Natur integriert sind, mag er sich doch daraus beobachtet fühlen. Die Adressaten des Werkes sind die Menschen, die auf dem alltäglichen Weg zur Haltestelle vielleicht etwas ratlos vor den Türmen stehen, weil sie nach einem Zugang suchen, der allen verwehrt bleibt. Sie sind die eigentlichen Hauptpersonen dieser Inszenierung. Während in den höheren Regionen der Luftschlösser Vermittlung und Austausch nur noch indirekt oder gar nicht mehr möglich sind, bleiben die Passanten auf dem Boden, der als gemeinsame Basis alle Möglichkeiten des Handelns und Kommunizierens offen lässt.


 
© Wilhelm Schiefer (2002)