Kunstaktion "Wachsender Adventskalender 2006" - Tag 23

 

Alleine?
Kümmerliches Dasein. Ich will die Welt nicht wissen. Denn: Ich habe Angst.
Ein Leib aus schwarzer Hülle. Der mich umgibt und nährt. Ich sitze hier, trauernd. Und du kämpfst für mich. Noch eine Weile. Bis du mich wieder ausspuckst, ich das Land erreiche. Hat es was gebracht? "Reife!"
Sandra Veneman

Ein Haifisch hängt an einem Haken. In seinem Magen kauert ein Kind, den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt. Ist das nicht ein biblisches Thema? Jonathan, der von dem Wal verschluckt wurde, oder etwas Ähnliches? Ich weiß es nicht mehr genau, der Religionsunterricht in der Schule ist so lange her. Vielleicht sollte ich mal in der Bibel nachschauen.
Utz Peter Greis

Hoffnung? Die Geschichte Jonas wird oft im Sinne menschlicher Grunderfahrung von Ende und Neubeginn betrachtet. Gott lässt Jona, eigentlich im Meer zum sicheren Tode verurteilt, durch den Wal retten, ein Zeichen der Hoffnung, aber auch der Macht, denn Jona hatte versucht, sich Gottes Auftrag, in seinem Namen in Ninive gegen das Böse zu predigen, zu entziehen. Der Versuch scheitert, sein Schiff, mit dem er in die entgegen gesetzte Richtung fährt, gerät in einen furchtbaren Sturm. Jona, als Verursacher des Übels erkannt, landet im tobenden Meer. Die Rettung im Bauch des Wals ist also auch Zeichen göttlicher Macht, Übermacht, der sich entgegenzustellen sinnlos ist. Bei Wilhelm Schiefer allerdings endet die Geschichte anders: Dieser Wal wird Jona nicht sicher an Land befördern und ausspeien, er hängt am Haken, von Menschen gejagt, von Menschenhand am Haken aus dem Meer gezogen. Gottes Pläne durchkreuzt? Ein Akt der Anmaßung, Gottesferne, Brutalität und Ignoranz? Hat Jona überhaupt die Chance, lebend zu entkommen? Selbst wenn: Rettung, Erlösung, Wiedergeburt ist hier nicht mehr Gottes- sondern Menschenwerk. Das setzt Gedanken frei: Gentechnologie, Stammzellenforschung, die Diskussion um die so genannte "Sterbehilfe", Wert und Schutz des werdenden und zu Ende gehenden Lebens...
Frank Kirschstein

Die Tragik des Menschen ist, dass die körperliche und seelische Evolution mit seiner geistigen Evolution nicht Schritt gehalten hat.
- Um im Bild zu bleiben: Biologisch ist der Mensch noch ein Embryo im Bauche der Natur, angewiesen auf ihren Schutz und Ihre Versorgung, sein Geist dagegen hat sich in Dimensionen entwickelt , die über den Rahmen des Bildes hinausgehen; nur ein Zipfel ist von seinen Auswirkungen zu sehen, nämlich der Haken des technischen Fortschritts, mit dem der Mensch die Natur und damit auch seine eigenen Lebensbedingungen zerstört.
Josef Grüning

Unwillkürlich denkt man an die Geschichte des Propheten Jona. Zur Sicherheit schaut man noch mal ins Alte Testament. Aber dann merkt man, dass es eine andere Geschichte ist, die hier erzählt wird. Der Fisch schwimmt nicht mehr. Er hängt am Haken. In seinem Magen kauert ein Kind, das weder schreit noch betet. Will es überhaupt den schützenden Raum des Fisches verlassen und in die Welt zurück? Der griechische Schriftzug für Fisch () steht für "Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser". Ist dieser Fisch gemeint? Oder hat hier der Mensch sich selbst gefangen?
Ilse und Ludwig Petry, Meerbusch

Dies ist nicht die alte Geschichte von Jona und dem Wal, sondern eine neue. Jona betet nicht, fleht nicht, besinnt sich nicht. Vielleicht ist er zu erschöpft von dem, was ihm widerfahren ist. Er schläft vertrauensvoll, geborgen im Leib des großen Fisches, in einer Haltung, die auch ein Ungeborenes einnehmen könnte. Dieser Jona wird nicht nach drei Tagen von dem großen Fisch ausgespieen, damit er seinen Auftrag erfüllen kann. Denn der Fisch wurde schon vorher gefangen, hängt nun am Haken. Wie wird es weitergehen? Der Fisch wird aufgeschlitzt, und der immer noch schlafende Jona wird herausgezogen, unversehrt. Er erwacht, verwirrt schaut er ins helle Licht. Er weiß nicht, was er tun soll. Seine Wiedergeburt wurde gewaltsam herbeigeführt. Jona wird in die Welt entlassen, ohne zur Besinnung gekommen zu sein. So kann er seinem Auftrag nicht gerecht werden. - Damit ist dieses großartige Bild vom 23. Tag noch lange nicht zu Ende gedeutet, wenn es sich überhaupt eindeutig bestimmen lässt. Viele Bilder von Wilhelm Schiefer verweisen den Betrachter auf sich. So ging es mir mit diesem. Es erinnerte mich nach Jahren an das folgende Gedicht, das ich vor langer Zeit geschrieben habe:
       Auf dem mächtigen Haupt des Wals
       der Jona verschlungen hat
       steht eine Blutfontäne
       Von der Harpune tödlich getroffen
       hat er die Fangleine noch zerreißen können
       Und Jona:
       wird der Wal ihn je
       an Land speien?
Mein Eindruck: Was Wilhelm Schiefer erzählt, enthält mehr Hoffnung als diese Zeilen.
Helmut Engels

Moby Dick? Aber der unbequeme Prophet Jonas schläft unbekümmert ob all der Überfischung der Weltmeere im Walmagen. High-tech Hochseefischerei hat nun seinen Wal erwischt und ihn am Maul an der Kette hoch gehievt, gleich wird er zerteilt. Aber Jonas sollte er doch an Land speien? Geht hier wohl nicht mehr. Na ja, Walfleisch schmeckt jedenfalls - auch Thunfisch, zu Weihnachten und im nächsten Jahr, warum denn nicht. Aber Jonas? Er kneift vor seinem Auftrag der Verkündigung der Wahrheit Jahwes; hadert sogar mit IHM, schimpft. Doch ER: "Mir soll es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die nicht einmal rechts und links unterscheiden können - und außerdem so viel Vieh?" (Jona, 4,11)
Dr. Karl Remmen

Wir haben es mit drei symbolischen Bedeutungen zu tun: dem Fisch, Jona im Bauch eines Fisches, den Fisch in seiner Drangsal an Angel oder Haken. Der Fisch ist das uralte Symbol für das Wasser, in dem er lebt, zugleich des Lebens und der Fruchtbarkeit. Im frühen Christentum ist er wohl zur Bezeichnung der getauften Christen verwendet worden. Der Mensch in gebückter Stellung mit verschränkten Armen in dieser Darstellung erinnert an das Alte Testament mit dem Propheten Jona im Bauch des Fisches: drei Tage darin und wieder ausgespien, was auf Grablegung und Auferstehung Christi hinweist. Aber dieser Fisch ist selbst gefangen, abhängig von einem Dritten. Die herkömmlichen Bedeutungen greifen also nicht, so dass ein Antagonismus bestehen bleibt. In diesen Tagen war wieder von Fangquoten und deren Nichtbefolgung in den Medien die Rede. Der Mensch ist dabei, seine Umwelt mit allem, was ihn zum Leben befähigt, zu zerstören. Kann nur eine völlige Wende, wie sie der Advent uns näher bringt, den Menschen retten? Noch benötigen wir einen Tag und eine Nacht, um zu singen: "Christ der Retter ist da".
Sabine und Herbert Jacobs

Jonas im Bauch eines Schwertwals. In der erzwungenen Einsamkeit kann ich zu mir selbst und den rechten Weg des Lebens finden. Erst dann wird mir wieder ein Pfad aus der Einsamkeit gewiesen.
FraWi Servaes

 

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© Wilhelm Schiefer (2002)