Kunstaktion "Wachsender Adventskalender 2006" - Tag 1

Noch schwirren ihm die Assoziationen wirr um/neben dem Kopf herum. Ihm - wem? Ein Horchender, in sich Versunkener mit dem weißen Kopf; ein zweiter Kopf dahinter, der Botschaft des heranstürzenden Engels hingewandter schwarzer Kopf. Ist es der Schreiber, der die Weihnachtsgeschichte aufschreiben wird? Lukas, der Arzt? Noch sitzt er entspannt, den rechten Arm über die Stuhllehne, die linke Hand jedoch schon auf dem Buch. Wird er lediglich lesen, oder auch schon bald schreiben. Wir – die kleinen Menschen links unten in der Ecke – warten gespannt. Künstlerisch hat Willi Schiefer das Bild gekonnt komponiert: die Verteilung von Schwarz/Weiß; Dreiecke, der Mensch in Frontalansicht. Erinnert mich auch an Michelangelos Propheten in der Sixtinischen Kapelle.   Dr. Karl Remmen

Da sitzt er, ein Mächtiger unter den Menschen, wie einer der Propheten der Sixtinischen Kapelle. Seine Beine und Füße sind kraftvoll, fähig zur Erdung. Auf seinem Schoß ein schweres aufgeschlagenes Buch. Aber er schaut nicht hinein, er blickt, eher skeptisch, zu einem kleinen fliegenden Wesen, das nicht von dieser Welt ist. Wie ein Engel sieht es nicht aus, aber bitte, wie sehen denn Engel aus? Der Schatten des Mannes, sein Alter Ego, hört jedoch erwartungsvoll auf das, was dieses Wesen zu sagen hat. Links unten das gemeine Volk, die Menschen winzig im Vergleich zu der thronenden Gestalt. Bis auf einen, der sich abwendet, blickt das Volk zu seinem Propheten auf, hoffnungsvoll, gläubig. Das in scharfen Kontrasten gehaltene Bild gibt in einer doppelten Perspektive zu denken. Der, den man als Propheten bezeichnen könnte, ist unentschieden. Was gilt: das, was im Buch überliefert ist, oder das, was die Inspiration vermittelt? Oder handelt es sich gar nicht um eine Inspiration, sondern um eine Einflüsterung, der man wider-stehen müsste? Mystiker haben mehr der unmittelbaren Erfahrung geglaubt und das Überlieferte gering geschätzt. Aber beruht die eigene Erfahrung nicht auf Täuschung? Ist vielleicht mehr Wahrheit im überlieferten Wort? Das Volk blickt zum Propheten empor, bis auf den Skeptiker. Das Alte Testament berichtet, dass einmal 400 Propheten beisammen waren, davon war aber nur einer ein wahrer Prophet. Wem also glauben? Woran erkennt man den wahren Propheten? Daran, dass er Wunder vollbringt, oder daran, was er zu sagen hat? Die Tatsache, dass es falsche Propheten gibt, ist noch kein Beweis gegen die Möglichkeit wahrer Propheten. Dieses Bild von Wilhelm Schiefer stellt Fragen. Antworten müssen die Betrachter selbst finden.  Helmut Engels

Hören, lesen, Muße haben - einfach einmal Zeit haben, Zeit für sich und für andere.
Gerd Riepe

Sie hören Dir zu Im Himmel und auf Erden. Doch Du sprichst mit zweierlei Mund. Ich kann Dir nicht glauben.  Prof. Dr. Gertrud M. Krüskemper 

Uralte Worte - tragen sie heute noch?                                                       Menschen im Dunkeln - kommen sie ans Licht?                                                     Rückwärts gewandte Blicke - schauen sie auch in die Zukunft?                   Prophetische Visionen - erreichen sie den grauen Alltag?                                Verheißungen von "oben" - erfüllen sie sich "unten"?                                             Das Buch der Bücher bleibt zeitlos aufgeschlagen!                                                            Dr. Kurt-Peter Gertz                                                                                               Katholischer Pfarrer in Kaarst

Diese mit klarer Aussage belegte und angenehm reduziert gehaltene Darstellung verdeutlicht eine gewaltige Erwartungshaltung. Sie ist umfassend und zeigt an, dass hier und heute die Zeit der Vorbereitung auf eine lang ersehnte Ankunft beginnt.          Monika Götz

Mit diesem Bild hat Wilhelm Schiefer zum zweiten Mal das eindrucksvolle Großprojekt eines Adventskalenders für eine Fensterfassade begonnen - letztes Jahr in der Neusser Stadtbibliothek - dieses Jahr im Rathaus der Stadt Kaarst. Auch das aktuelle Bild trägt die für Wilhelm Schiefers Werk vielfach typischen Merkmale: die Reduktion auf schwarze und weiße Farbe, das „Spiel“ mit Perspektive, Licht  und Schatten, das seinen Arbeiten oft eine irritierende, rätselhafte, vieldeutige Wirkung verleiht. Die Komposition dieser Arbeit erinnert an mittelalterliche Bilder - eine Heiligenfigur nimmt den größten, zentralen Teil des Bildes ein, im oberen Bereich ist sie von schwebenden Engeln umgeben, vom unteren seitlichen Bildrand blicken klein dargestellte Menschen zur Hauptfigur auf. Aber die Hauptfigur ist hier ein nahezu unbekleideter entspannt dasitzender athletischer junger Mann, an eine griechische Skulptur erinnernd, aber durch das aufgeschlagene Buch auf seinem Schoß doch wieder ins Religiöse weisend. Er scheint in einem einfachen Haus ( Stall der Weihnachtsgeschichte? ) zu sitzen. Am irritierendsten finde ich das Gesicht dieses Menschen, den für den muskulösen, großen Körper viel zu kleinen Kopf, der leidvoll scheint. Und der Schatten des Kopfes ist kein getreues Abbild, sondern scheint wie der Kopf eines anderen Menschen, auch mit einem anderen Gesichtsausdruck. Beide Köpfe wenden sich einem Engel zu, der mit erschreckt geöffnetem Mund und Augen auf die Hauptfigur schaut. Auch die kleinen Figuren am unteren Bildrand ( Hirten?) - im Gegensatz zur leuchtend weißen Hauptfigur ganz in Schwarz - blicken erstaunt und ungläubig.. Sind sie erstaunt, dass sich im Stall Körperlichkeit und Kraft zeigt, statt Geist und Schwachheit                               

Dr. Brigitte Splettstößer

Das Bild stellt uns mehr Fragen, als es Antworten gibt. Warum schauen die schwarzen Gesichter bewundernd auf zu dem großen weißen Mann, während sich ein weißes Gesicht  abwendet?  Wer ist der große Schwarze hinter dem großen Weißen, da die Lichtquelle von oben ihn als Schatten nicht wahrscheinlich macht? Warum wenden sich beide vom aufgeschlagenen Buch mit offensichtlich leeren Seiten ab? Lenkt das fliegende  Wesen sie ab, was flüstert es ihnen zu? 

Inge und Franz-W. Servaes

Das Haus, die Heimat - das Buch, die Kultur, geben uns die Kraft, die Größe, die Ruhe, die Gelassenheit mit den Unsicherheiten und mit den Nöten dieser Welt, die von allen Seiten auf uns zukommen, fertig zu werden. So kann auch ein nackt und schutzlos da sitzender Mensch zum Zeichen der Hoffnung werden. Wolfgang Kral

"Steht nicht da mit offenen Mündern und glaubt nicht alles, was man euch von höherer Warte aus vorträgt! Vielleicht sind es nur Hirngespinste - gute oder böse - des Autors."

Josef Grüning

"Am Anfang war das Wort!" -  Das Wort?                                                                 "Am Anfang war der Sinn!"  -  Der Sinn?

"Am Anfang war die Kraft!"  -  Die Kraft?
"Am Anfang war die Tat!" 
Ilse und Ludwig Petry

Die Sprache ist es, in der wir denken, die uns zum Menschen macht. Vielleicht sollten wir sorgsamer mit ihr umgehen. Cosima  Quittek

Das Buch sinken lassen. Altes ablegen. Aufschauen. Sich umschauen. Sieh, Himmel und Erde beleben sich.  U. Caspers

Ein Mensch sitzt in einem Stuhl und liest in einem Buch. Sein Schatten unterhält sich mit einer im Dunkeln schwebenden Gestalt. Der Himmel ist von Vögeln belebt. Zu Füßen des Lesenden befinden winzige Menschlein, die zu ihm aufblicken. Eine kryptische Situation. Vielleicht wird der Lesende hier von seiner Innenwelt umgeben, die uns Außenstehenden unbekannt bleiben wird.  Utz Peter Greis

 

 

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© Wilhelm Schiefer (2002)