Kunstaktion
"Wachsender Adventskalender 2006" - Tag
16
Jeder Zug muss gewissenhaft geprüft
werden. Niemals den König opfern,
sonst ist das Spiel verloren.
Wenn man eine Partie Schach mal verliert,
so ist das kein Weltuntergang. Es ist ja nur ein
Spiel, und wir können das nächste Mal Revanche
nehmen. Doch unser Leben ist einmalig – eine
Revanche gibt es nicht! Und die Konsequenz einer
verlorenen Partie ist die Verdammnis, das heißt,
dass wir mit unserer
Schuld und ohne Gottes Liebe in Ewigkeit leben
müssen.
(Martin Wagner)
Adveniat
regnum tuum - Dein Reich komme!
Christa Kolling
Der Schachspieler staunt. Seine Figuren machen
sich selbständig. Aus den
Figuren werden Menschen, die sich nicht so
einfach verrücken lassen. Mut zum
Aufstand gegen jegliche Fremdbestimmung!
Ilse und Ludwig Petry, Meerbusch
Für mich ein Bild der Stille und tiefer
Konzentration. In der lauten und hektischen
Vorweihnachtszeit nimmt man vieles
gleichzeitig wahr und versucht auch vieles
gleichzeitig zu tun. Der Schachspieler mahnt
mich, still zu werden und auf das Eine und
Besondere zu konzentrieren.
FraWi Servaes
Gewiss, das ist Wladimir Kramnik, der
Schachweltmeister, der gegen den Computer
Deep Fritz verloren hat. Allerdings ist dies
keineswegs einfach ein Porträt. Wenn man
nicht nur flüchtig auf das Bild schaut,
erkennt man, dass die Figuren schrittweise
lebendig werden. Das Ganze bekommt einen
symbolischen Charakter. Was könnte gemeint
sein?
- Es gibt die Vorstellung, dass unser Leben
ein Spiel ist und Gott diesem Spiel nur
zuschaut, er greift nicht ein. Gott ist
natürlich kein alter Mann mit Bart, sondern
ein jüngerer Intellektueller mit ernsten
Zügen. Während sich die antiken Götter an
dem vergeblichen Spiel der Menschen
ergötzten, bleibt dieser Gott der neutrale,
distanzierte Beobachter. Fraglich bleibt
allerdings, worin denn der Sinn des Spiels
der Menschen liegt.
- Eine nichtmetaphysische Deutung: Der ernst
dreinschauende Mann verkörpert den Global
Player, dessen übergroße Wirtschaftsmacht
Einfluss sogar auf politische Entscheidungen
auszuüben vermag. Die Figuren auf seinem
Spielfeld sind die Menschen, die zwar
agieren, letztlich aber ferngesteuert sind.
Sympathisch finde ich in diesem Zusammenhang
die vorgeschlagene Deutung, dass auf dem
Bild aus den Figuren
Menschen werden, die sich nicht so einfach
verrücken lassen, sondern den Mut zum
Aufstand gegen jegliche Fremdbestimmung
aufbringen. Mir scheint, dass hier jemand an
Attac gedacht hat, an jene
globalisierungskritische Bewegung, die gegen
eine neoliberale Ideologie angeht und den
Freihandel durch einen fairen Handel
ersetzen möchte. Ich
bin sicher, dass dieses in seiner klaren
Graphik höchst eindrucksvolle Bild Anstöße
zu weiteren Überlegungen geben kann.
Helmut Engels
Der große Manager setzt die Figuren auf
dem Schachbrett der Politik, sei es im
Fußballsport, sei es im Waffengeschäft -
in welchen Bereichen auch immer: Big
Boss bestimmt das Geschehen und überlegt
kühl, wie er seine Figuren schieben muss
und welche er opfern muss, um seine
Vorteile daraus zu gewinnen.
Was kann man dem entgegen setzen?
Haben Habenichtse keine Chance?
Josef Grüning
Der frühere russische
Schach-Weltmeister Garri Kasparow
sitzt in nachdenklicher Haltung über
einem Schachbrett. Die
Standardfiguren rechts stellen
Läufer, Springer, Dame und den
König, dieser wohl im Matt oder auf
sonst verlorenem Posten, dar. Aber
von den beiden linken Figuren, in
tänzerischer Pose, geht eine
unübliche Freiheit aus. Diese
Unabhängigkeit nimmt sich auch
Kasparow heraus, der in der
Vereinigten Bürgerpartei als
prominenter Kritiker des
Putin-Regimes für Freiheit, Bürger-
und Menschenrechte in seinem
geliebten Russland
kämpft. Die besondere Aktualität der
Szene liegt darin, dass
ihn Sabine Christiansen aus ihrer
letzten Talk-Show in der ARD auslud,
wobei kontrovers ist, ob aus
"technischen Gründen" oder auf Druck
der russischen Botschaft in Berlin.
Über dem Kritiker hängt wohl das
Damoklesschwert. Damokles soll als
Höfling beim Tyrannen Dionysios von
Syrakus im 4. Jh. v.
Chr. seinen
Herrscher als glücklichsten Menschen
gepriesen haben. Der Tyrann ließ
ihn unter einem an dünnem Faden
aufgehängten Schwert speisen, um ihm
das Geschick der Tyrannen drastisch
vor Augen zu führen. Das Damoklesschwert hat also
Jahrtausende überdauert als Symbol
für eine stets drohende Gefahr. Wenn
wir das Kind bald in der Krippe
sehen, sehen wir in der
Heilsgeschichte mit sein späteres
Leiden und seinen Kreuzestod für uns
Menschen. Krippe und Kreuz -
entgegenstehende Pole unseres
Lebens, an die Advent uns erinnert.
Sabine und Herbert Jacobs
Wenn der Computer den Schachspieler
schlägt, kann der vielleicht noch
seine Figuren
zum
Leben erwecken.
Wenn die Maschine den
Menschen besiegt, kann der immer
noch Macht über andere
Menschen ausüben. Wenn der Intellekt die Seele des
Menschen tötet, kann der vielleicht
noch Schattengebilde in
Bewegung setzen.
Dr. Kurt-Peter Gertz
Katholischer Pfarrer in Kaarst
Ein Mann sitzt in einem
dunklen Zimmer an einem Tisch
und betrachtet im Schein einer
Lampe einige fingergroße
Gestalten, die auf der Kante der
Tischplatte stehen, sich in der
Platte spiegeln und so aussehen
als ob sie Eishockey spielen
oder Rockmusik machen.
Vielleicht sind es ja auch
Schachfiguren und der Betrachter
überlegt den nächsten Zug.
Allerdings sieht man kein
Schachbrett. Wer ist hier was?
Der Betrachter ein Riese? Oder
die Gestalten auf dem Eis
winzige Zwerge? Und was bin ich?
Groß oder klein? Nachdenkend
oder handelnd? Manipulierend
oder manipuliert?
Utz Peter Greis
Einige Bilder verstören.
Dieser Schachspieler – nun,
schaut er auf seine Figuren,
die ja eigentlich
verkleinerte
Willi-Schiefer-Figuren sind,
oder schaut er nicht doch
mich an? Weiß er bei seinem
Schachspiel – das
Jedermann-Spiel (Salzburger
Festspiele) – nicht mehr
weiter. Erwartet er einen
Tipp von mir? Aber so gut im
Schachspiel bin ich ja
nicht. Und der Heilige(?) in
seinem Erschrockensein (Bild
von gestern) – schaut er
mich an (in seiner
existentiellen Angst vor dem
Anruf des Engels, Gottes
Boten? Und der
Konsum-Dickwanst an seinem
Tropf (11. Tag) – auch er
scheint mich anzuschauen.
Heißt also: irgendwie werde
ich an den Haken genommen
und in die Bilder
hineingezogen. Ich das
Double des Schachspielers,
des Dicken, des Heiligen?
Ich weiß nicht so recht.
Dr.
Karl Remmen
Die Tugenden
eines
Schachspielers:
Geduld, Konzentration
und
Beobachtung.
Kontrolle
über das
Geschehen.
Was
aber passiert,
wenn das
Unvorhergesehene
geschieht
und die
Figuren,
die
Kontrollierten,
anfangen,
selbstständig
zu
agieren?
Lässt er sie gewähren oder wird er versuchen, Einfluss zu nehmen? Und wenn ja, wann und warum?
Dorothea
Zillmer
Kommentare sind willkommen
(bitte die Bild-Nummer vermerken)
christa_kolling@yahoo.de
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