Kunstaktion "Wachsender Adventskalender" - Tag 4

"Geiseln sitzen gekrümmt in der Ecke; für sie gibt es keinen Ausweg. Der "Freiheitskämpfer" steht über ihnen - mit der Panzerfaust. Was mag der sich wohl denken: Panzerfaust gegen Geiseln! Der ebenfalls Vermummte links am Rand liest die Verurteilungsschrift. Ein Bild im Advent? Vorweihnachtliche Besinnlichkeit, Stille und Ruhe? Dieses Schiefer-Bild lässt diese Vokabeln zum Klischee werden. – Pilatus liest Ihm seine Verurteilunsschrift vor – aus lauter Angst vor dem Mob. Soldaten der Besatzungsmacht knallen ihrer Geisel die Dornenkrone auf den Schädel: am Karfreitag. Am Nachmittag hängen sie ihn ans Kreuz – er hat keine Chance zur Verteidigung. Er hätte doch ein Wort sagen können, aber er schweigt. Obwohl er selbst "das Wort" ist: "Und das Wort ist Fleisch geworden" – Weihnachten. In einem erbarmungswürdigen Schafstall in der Krippe. Vater und Mutter – die Ärmsten der Armen. Auch da schon steht er unter Generalverdacht, die Besatzungsmacht stürzen zu wollen. Nur, wie soll er das dort in Bethlehem überhaupt wissen, der kleine Wurm? Herodes schickt schon da Soldaten nach ihm aus. Hunderte kleine Jungen müssen dran glauben. In seiner Krippe ballt er zwar auch die Fäuste, doch eher reflexhaft als Baby – aus Hunger, Durst oder nur aus Freude am Leben? Kurz darauf hat er wenigstens die kleine Chance der Flucht – über hunderte von Kilometern mit seinen Eltern auf einem Esel nach Ägypten. Auf einem Esel reitet er als junger "Revoluzzer" nach Jerusalem ein: welche Ironie! Doch seine Philosophie ist nur: Besinnt euch - Kehrt um! Steckt die Panzerfaust weg; Eure Hände sollen Frieden stiften. Euer Mund sollte schweigen, wenn Aggression hochkommt. " (Dr. Karl Remmen, Neuss)

"Eine Geiselnahme - ganz offensichtlich. Die Geiseln "blicken" gebeugt zu Boden; aber da ihnen die Augen verbunden sind, sehen sie nichts. Hinter ihnen steht jemand und verliest eine Deklaration, vermutlich eine Botschaft an die Weltöffentlichkeit. Rechts steht eine Person mit einem Maschinengewehr im Anschlag, dessen Lauf ins Leere gerichtet ist. Der Kopf dieses Geiselnehmers ist zu den Geiseln gewandt, Augen und Mund spiegeln einen Ausdruck ungläubigen Entsetzens, als wenn ihm schlagartig bewusst würde, dass hier etwas Furchtbares passiert.
Ich wünsche mir, dass der Terrorist erkennt, dass Gewalt letztendlich immer ins Leere läuft, dass er seine Kalaschnikow wegwirft und davonrennt." (Utz Peter Greis, Düsseldorf)

Ein Bild im großen Zyklus von Advent und Weihnachten: Herodes läßt Kinder umbringen um seine Macht zu halten. Kaum steht der Stern des lang ersehnten Kindes in der Krippe am Himmel, schon wird es mit seiner Botschaft von Frieden, Toleranz, Großherzigkeit, Nächsten- und Feindesliebe im Machtspiel mißbraucht - bis heute. (Gerd Riepe, Haan)

 

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© Wilhelm Schiefer (2002)