Kunstaktion
"Wachsender Adventskalender" - Tag 12

"Eine
glückliche Familie? Es scheint so. Doch, sie ist glücklich:
der Vater hebt stolz seinen Sohn hoch. Und die Mutter auch, sie
schaut zu ihm hin. Wilhelm Schiefer erinnert sich an die Zeit
vor vierzig Jahren mit Karin und seinem ersten Sohn Philipp.
Und wenn er Philipp dann auf den Boden legt, sieht der Vater und
Mutter mit dieser Verzerrung aller Linien und Perspektiven. Jedoch
ist er sich als kleiner Junge dessen nicht bewusst, denn für
ihn ist das nun mal so, ganz normal.
Vater
und Mutter als alles beherrschende Supereltern, die ihre Kinder
beherrschen und ihnen permanent auf dem Fuß stehen?
Vierzig
Jahre später ist die Perspektive gerade gerückt. Philipp
und seine beiden Geschwister erkennen Vater und Mutter jetzt,
wie und was sie sind. Gebrechliche und zum Teil auch gebrochene
ältere Menschen, die Schutz bedürfen. Die Verhältnisse
haben sich auf natürliche Weise umgekehrt.
Wie
geht´s in unserer Gesellschaft zu? Sind Eltern stolz auf
(ihre) Kinder? Wollen erwachsene Menschen noch Kinder? Und umgekehrt:
Sorgen sich Kinder um ihre Eltern? Diese verfluchte demographische
Entwicklung! Daran sind WIR aber nicht schuld!
Die
Eltern im Stall zu Bethlehem sorgten sich! Sie machten sich hastig
auf nach Ägypten mit IHM, aus Angst um IHN.
So war das - damals. Und dann den ganzen Weg wieder zurück:
aber sie hatten ja den zweiten Moses bei sich." (Dr.
Karl Remmen, Neuss)
Der
Mann hält das Kind voller Entzücken über sich in
die Höhe, die Mutter schaut ebenso entzückt zu dem Kind
hoch: Das Kind als Erfüllung einer tiefen Sehnsucht.
Dennoch:
Das Bild erzeugt durch die perspektivische Verzerrung ein Unbehagen.
Wird die Vergötterung des Kindes kritisiert? Unzählige
Paare unterziehen sich mühevoller Verfahren, um ihre Unfruchtbarkeit
zu überwinden. Sie verhalten sich so, als seien eigene Kinder
die Voraussetzung für ein sinnvolles Leben. Wird dies im
Bild gezeigt, oder etwas anderes, eher Alltägliches, wenn
auch Wirkmächtiges?
Der Blick von unten her steil nach oben ist der Blick eines kleinen
Kindes. Vielleicht drückt sich hier nichts anderes aus als
die Eifersucht auf die Schwester oder den Bruder. Geschwisterneid
als ein uraltes Motiv, sichtbar in der überhöhenden
Per-spektive dessen, der sich ganz unten wähnt. (Helmut
Engels)
Je
länger ich mir das Bild betrachte, desto positiver sehe ich
es. Der Wunsch, negative Aspekte zu bemühen, lässt nach.
Dieser meditative Ansatz mit positiver Zielsetzung hält aber
der Realität nicht stand.
Die Lebensfreude des Vaters, ist sie entspannt?
Das Zuschauen der Mutter, die Ärmchen der Mutter, fehlt nicht
das Vertrauen in die Machbarkeit des Glücks?
Das Kind, das wonnige, strampelnde Baby, der größte
Hoffnungsträger!?
(Silvie Hausmann, Neuss)