Kunstaktion
"Wachsender Adventskalender" - Tag 10

Ein
Vogelschwarm am Himmel erinnert an Leichtigkeit und Freiheit.
Er weckt das betörende Verlangen nach einem Aufbruch und
nach Veränderung. Einfach wegfliegen und alles hinter sich
lassen. Aber bei genauem Hinsehen stellt die sehnsuchtsvolle Betrachterin
fest, dass der Schein trügt. Die Vögel fliegen unkoordiniert
in alle Richtungen. Manche sind verletzt und haben nur einen Flügel.
Die Idee der Unbeschwertheit und Sorglosigkeit bleibt eine Illusion.
(Dr. Marion Lisken-Pruss, Kaarst)
Alle
Jahre wieder. Darauf können wir uns verlassen. Wenn es kalt
wird, kommen die Zugvögel. Von dort, wo es noch kälter
ist, ziehen sie dorthin, wo es wärmer ist. Einige bleiben
bei uns, andere machen nur Zwischenstation auf ihrer langen Reise.
Doch das Wohlvertratue hatte in diesem Jahr einen bedrohlichen
Unterton: "Vo-gelgrippe". Eine imaginäre Gefahr
wurde durch eine sensationsheischende Be-richterstattung heraufbeschworen.
Unser Federvieh hatte Ausgehverbot, wurde in Ställe und Garagen
verbannt. Die Enten und Schwäne in den Parkanlagen küm-merte
es nicht. Und? Was ist passiert? Keine Vogelgrippe zwar, aber
die Massen-suggestion klappte. Die Grippeimpfung war gefragt wie
nie, die in den Medien be-nannten Medikamente waren bald nicht
mehr zu bekommen. Nach dem Aktienkurs des Pharmaherstellers habe
ich nicht gefragt. Die Angst ist mit den Zugvögeln verschwunden,
andere Nachrichten beherrschen den Tag, neue Bilder brennen sich
in unser Bewusstsein. (Dr. Heribert Brinkmann, Düsseldorf)
Das
Bild des frei und kraftvoll dahin ziehenden Vogelschwarms ruft
in mir die Erinnerung an ein viele Jahre zurückliegendes
Ereignis hervor.
Einer unserer Freunde, damals am Umweltministerium tätig,
fuhr mit uns an die Rheinschleife bei Orsoy und führte uns
an eine große Weidefläche, die er im Rahmen eines Landesprogramms
kürzlich angekauft hatte.
Ich erinnere mich noch an mein Erstaunen, als er auf meine Frage,
wozu das Land unter hohem finanziellen Aufwand Wiesen aufkauft,
auf eine Schar Wildgänse über uns deutete, die gerade
zur Landung ansetzte. "Die werden hier auch in Zukunft einen
unbebauten Platz finden, an dem sie ungestört Rast machen
können, manche werden über Winter bleiben, andere werden
nach einer Weile weiter ziehen".
Verlässlich einen Platz vorfinden, an den man zurückkehren
kann um Rast zu machen, auf dem man landen kann nach "grenzenlos
freiem" Flug, einen Ort, an dem man notwendige "Bodenhaftung"
wiedergewinnen kann, anderen keine tollen Flüge vorführen
muss:
Manchmal unbeschwert frei und hoch wie ein Vogel fliegen zu können,
setzt einen solchen Ort voraus. (Elke Beyer, Kaarst)
Vögel
sind sonst nicht auf Schiefers Schwarz-Weiss-Bildern zu sehen,
jedenfalls bis jetzt nicht. Krähen, Enten, Schwäne,
Möwenschwärme? Zur Adventszeit? Vor weißem Himmel?
Um sie so zu sehen, müsste man auf einen Turm (Fernsehturm?)
steigen. Dann sind die oberen groß und die weiter unten
fliegenden kleiner. Den kleinen am unteren linken Bildrand werden
sie bald verlieren, zurücklassen.
Fliegen Schwäne (die beiden größten mit den langen
Hälsen) so hoch? Dann würden von unten gesehen auch
weiße Schwäne schwarz aussehen. Deshalb malt Schiefer
selten Vögel, besonders im Winter, im Advent. (Dr. Margret
Kaiser-El-Safti, emeritierte Psychologieprofessorin an der Uni
Köln)
"Mit
den Zugvögeln nach Afrika." Oder "Über den
Wolken muß die Freiheit wohl grenzenlos sein." Wer
hat nicht den Traum von der Überwindung aller Grenzen, Räume
und Schichten geträumt? Gewünscht, frei zu sein von
dem Vorurteil, dass das Menschsein an Hautfarbe, Herkunft oder
Paß hängen soll? Die Vision gehabt von einer geschwisterlichen
Welt?
"Tauet Himmel, den Gerechten; Wolken regnet ihn herab!"
rief das Volk in bangen Nächten, dem Gott die Verheißung
gab. - Und was tun wir im Sinne der Verheißung, im Hinblick
auf unsere Träume, Wünsche und Visionen? Wie steht es
auf einem Grabstein in London-Highgate: "The philosophers
have only interpreted the world in various ways. The point however
is to change ist." Eine wahrhaft adventliche Botschaft. (Gerd
Riepe, Haan)