Kunstaktion "Wachsender Adventskalender" - Tag 1

"Was tun wir, wenn wir auf etwas zeigen? Wir teilen uns dem Anderen mit.
Sprachlos. Sieh, das, worauf ich zeige, meine ich! Manchmal fehlt uns dafür das Wort, und dann zeigen wir auf das, wofür wir das Wort nicht kennen. Aber auch wenn wir das Wort kennen, zeigen wir mitunter auf das, was wir meinen. Warum? Weil wir es im Raum lokalisieren wollen. Denn warum viele Worte machen, wenn ich doch bloß auf das zeigen muss, was ich meine, um verstanden werden. Vor allem aber: weil das Wort, weil die vielen Worte nicht ausreichen für das, was ich meine, zeige ich darauf. Indem ich darauf zeige, verringere ich die Distanz zu dem, was ich meine, und zu dem, dem ich das Gemeinte mitteilen will. Mein ausgestreckter Finger sagt, dass ich von dem, worauf ich zeige, berührt bin, und dass der Andere meine Berührung fühlen möge." (Dr. Helmut Blochwitz, Kaarst)

"Am weiten, leeren, unbestimmten Horizont ein Fleck, ein Konzentrationspunkt, ein Lichtblick, ein Stern, der Morgenstern? - "ICH bin der hellleuchtende Morgenstern." (Offenbarung 22,16) - "Es ist ein Licht, das an einem finstern Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen." (2. Petrusbrief 1,19) - "Morgenstern der finstern Nacht, der die Welt voll Freuden macht, Jesu mein, komm herein, leucht in meines Herzens Schrein." (Angelus Silesius)
Ein Fremder, ein Nachbar, ein Nächster, ich selbst? - "Da saß ein Mann, dessen Hand verdorrt war... Und Jesus sagte zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie aus, und seine Hand war wieder gesund." (Markus 3,1.5) - Der Finger des Täufer-Johannes, gemalt von Matthias Grünewald, hineingebohrt in den dunklen Todes-Himmel - Deutendes Schriftwort: "Illum opportet crescere, me autem minui" - "Jener muss wachsen, ich aber geringer werden." (Johannes 3,30)
Wieder-Beginn der jährlichen Ankunftszeit - Zuspruch, Erwartung, Hoffnung, Auftrag, Hand-lungsanweisungen - Advent. (Dr. Kurt-Peter Gertz, Pfarrer an St. Martinus Kaarst)

In einer kleinen Zen-Geschichte sagt der Meister zu den Schülern: "Schaut nicht auf meinen Finger, schaut auf den Mond." Denn sie neigten dazu, sich mit dem zu beschäftigen, was er sagte, statt die Sache in den Blick zu nehmen, die er meinte. -
Hier ein Mann am Fenster. Er hat sich halb abgewandt von seinen Gesprächs-partnern und zeigt ihnen etwas. Nichts, was er gerade entdeckt hat, sondern etwas ihm Vertrautes. Er beugt sich nicht voller Neugier und Aufmerksamkeit nach vorn, um besser sehen zu können. Er weiß genau, was er zeigen will, ist sich seiner Sache sicher. Aber das Zeigen wird groß. Wichtig. Beherrschend.
Werden die Angesprochenen mehr sehen als den ausgestreckten Arm und die Hand mit dem überdeutlichen Zeigefinger? (Helmut Engels)

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© Wilhelm Schiefer (2002)